(-J48 Xxv. §. 11. Die neuere Philosophie des Unglaubens.
Evangelien vvn ihr geschrieben steht. Welch eine ungeheure Wirkung
diese neue (schon vom Wolfenbüttler Fragmentisten gemachte) Ent-
deckung auf die Massen, auf den gebildeten und ungebildeten Pöbel ge-
habt hat, ist kaum zu berechnen. Daß Strauß in einem folgenden
Buche auch die ganze christliche Glaubenslehre für eine Zusammen-
häufung des tollsten Unstnns erklärte, hatte nicht so viel zu sagen, denn
mit der Lehre beschäftigten sich immer nur wenige, und meist nur
wissenschaftlich gebildete Männer, welche die Schleichwege und Kniffe
der Strauß'scheu Beweisführungen leicht entdecken und zurückweisen
konnten. Aber daß die alte heilige Geschichte, daß die Person des
Heilandes bei Seite geschafft werden könnte, das war eine hoch will-
kommene, von allen Ungläubigen, vvn der ganzen religionslosen und
fleischeslustigcn Masse mit Jubel begrüßte Erfindung und in Hunderten
von Schriften, die für den gemeinen Mann ganz sonderlich zugeschnitten
und mundrecht gemacht waren, ward sie als Morgenröthe eines neuen
Tages der Gewissens- und Fleischesfreiheit angepriesen und ausgeboten.
Nicht bloß das Christenthum und alle geoffenbarte Religion ward
als Betrug, als beabsichtigte Erfindung Einzelner dargestellt, sondern
Alles, was irgend für religiöse Empfindung, religiöse Begeisterung sich
ausgiebt, ward als Selbsttäuschung, als Selbstvergötterung verspottet,
ja als Ursache aller Dummheit, Verderbtheit und Gottlosigkeit, als
Ursache alles innern und äußern Elends gebrandmarkt.
Natürlich wo alle Religion abgethan ist, da kann auch die Sittlichkeit
nicht bestehen. Und das war auch gerade die Absicht der „Hegelinge" und
der Männer des „jungen Deutschlands", die Sittlichkeit völlig zu ver-
nichten, das Fleisch mit aller seiner Lust und Brunst und Gier zu
entfesseln (emancipiren), die Ehe aufzuheben, das Weib für freies Ei-
genthum eines Jeden, die Unzucht für rechtmäßig und löblich zu erklä-
ren. Schandmenschen, wie Börne und Heine mit ihrem ganzen
getauften und ungetansten Schweif von Zeitungsschreibern und Ro-
mandichtern und Novellisten, machten sich ein Geschäft daraus, solch
teuflisches Gift tropfenweise und fluthenweise durch alle Kreise des
Volkslebens auszugießen, und es gab Hochschulen der Gottesleugnung
und der Fleischesfreiheit, wo die jungen Handwerker und Kausteute
förmlich abgerichtet wurden, alles Heilige, Alles, was von Gewissens-
scheu und alten frommen Erinnerungen noch in ihnen war, förmlich
mit Füßen zu treten und Gott zu verfluchen. — Sofort versuchte man
die neue Weisheit aus dem engern Kreise der Wissenden unter den
freien Hiinmel zu verpflanzen und zur öffentlichen Gemeindesache zu
machen. Prediger traten auf, welche das kirchliche Bekenntniß für
Unsinn erklärten, „freie Gemeinden" wurden gebildet (seit 1842),
die statt der Kirchen Wirthshäuser, statt der Geistlichen Sprecher, statt
der Bibel Zeitungsblätter, statt der Gesänge Freiheitslieder, statt der
Predigten Vorträge über die Fortschritte der aufgeklärten Menschheit,
statt des Abendmahls Festessen mit Fleisch und starken Getränken zu
ihrer Erbauung benutzten. Auch auf katholischer Seite fand eine
ähnliche Bewegung Statt. Die Ausstellung des sogenannten heiligen
Rockes zu Trier (1844) gab dem eitlen und unwissenden Caplan
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Xvii. §. 10. Aufrichtung des Frankcnreichs. 280
Orestes in Italien angetreten und blieb auch von dort aus mit dem
Severinus in freundschaftlichem Verkehr.
§. 10. Aufrichtung des Frankenreichs.
Durch das Aufhören der Jmperatorenherrschaft waren also die
damaligen Verhältnisse des römischen Gebiets zunächst noch gar nicht
geändert. Es bestand nach wie vor aus vier Stücken. Italien
unter dem Patricius und Feldmarschall Odoacher, das römische Ge-
biet in Gallien unterm Feldmarschall Syagrins, weiter das Bur-
gunderland und das Westgothenreich, in denen beiden die rö-
mischen Einwohner nach wie vor nach römischem Recht und römi-
scher Sitte von den Germanenkönigen, die ja zugleich römische Patri-
cier waren, regiert wurden. Und sie befanden sich unter der germanischen
Verwaltung bei Weitem wohler als unter den römischen Beamten. Aber
sie haßten ihre neuen Herren als ketzerische Arianer und sie verachteten sie
als rohe und ungebildete Barbaren. Sich gegen sie zu empören, sich ihrer
Herrschaft zu erwehren, konnte ihnen nicht einfallen, denn sie waren so
gänzlich erschlafft und sittlich haltungslos, so völlig dem sinnlichen
Genußleben hingegeben, daß ihnen schon der Gedanke schreckhaft war,
statt der Flöten und Harfen, Schmucksachen und Würfel kriegerische
Waffen zur Hand zu nehmen, statt des fröhlichen Becherklangs die
Schlachttrompete hören zu müssen. So stand es in ganz Gallien,
auch in dem römischen Gebiet des Syagrius. Er wäre auch nicht
im Stande gewesen, seine römischen Unterthanen von ihren Festen,
Gastmählern und Schauspielen hinweg zum Kampf hinauszuführen;
deshalb mußte auch er einen germanischen Heerkönig in Sold nehmen,
den merovingischen Frankenkönig Childerich, der schon dem Aegi-
dius gedient, und dessen Sohn Chlodwig'(482) an die Spitze der
fränkischen Kriegsschaar im Dienst des Syagrius trat. Dieser
Chlodwig aber, schon in seiner Jugend von glühendem Ehrgeiz und
Herrschgier erfüllt, blieb nicht lange in dem unterthänigen Verhält-
niß zum Syagrius. Er entzweite sich mit ihm, besiegte und töd-
tete ihn (486). Binnen acht Jahren unterwarf er sich sodann das
ganze Römergebiet in Gallien und gründete sich zwischen Loire und
Schelde ein fränkisches Reich, welches gegen Süden die Westgothen
und Burgunder, gegen Osten das rheinische Königreich der ripuari-
schen Franken mit der Hauptstadt Köln, und weiter südlich das
Alemannenreich, am Mittlern und obern Rhein, zu Grenznachbaren
hatte. Aber bald greift der eben so kühne als verschlagene und treu-
lose Mann über diese Grenzen hinaus. Im Bunde mit den rheini-
». Rohden, Leitfaden. 19
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Xxv. §. 7. Die französische Revolution. 597
Unschuld ist da gemordet, wie viel Todessamen da in die jugendlichen
Herzen und Leiber eingesäet! Wie glücklich waren dagegen noch die
Hunderttausende zu preisen, welche, ersäuft, oder von Kartätschen zer-
schmettert, oder vom Fallbeil getroffen, ein schnelles, muthiges Ende
nahmen. Auch die Todesschrecken verlieren ihre Wirkung durch die
tägliche Gewöhnung. Da man täglich nichts Anderes als Blut und
Leichen sah, ward man gegen den Anblick abgestuinpft, da man stünd-
lich die Abführung in's Gefängniß oder vor das Tribunal erwarten
mußte, so gewöhnte man sich an den Gedanken und sah dem schreck-
lichen Augenblick mit verhältnißmäßiger Ruhe entgegen. In den Ker-
kern traf man jederzeit die beste Gesellschaft. Alles, was vornehm,
reich, gebildet, in irgend welcher Weise ausgezeichnet war, das hatten
die Schreckensmenschen des Convents dorthin gebracht. Der franzö-
sische Leichtsinn wußte sich auch in dieser schauerlichen Zeit sein Ver-
gnügen zu suchen. In dem Kerker selbst, nur wenig Schritte von der
Guillotine scherzte, sang und lachte man, erlustigte sich, wo man's ha-
den konnte, bei Wein und Braten und setzte eine Ehre darein, sich mit
Standhaftigkeit zum Tode führen zu lassen. Und wie hätte das ge-
meine Volk, dieser entartete Haufe nicht gleichgültig werden sollen
gegen die unzähligen Hinrichtungen. Wo man täglich die Karren mit
den Verurteilten zum Richtplatz fahren sieht, täglich 30 bis 40, gar
60 bis 80 Häupter auf demselben Platze fallen sieht, wo die edelsten
Namen, wo Männer und Frauen, wo die eben noch mächtigsten Führer
und Volksredner um die Wette das Blutgerüst besteigen und Alle mit
heiterm Muthe oder angenommener Gleichgültigleit zum Tode gehen,
da ist es kein Wunder, daß man zuletzt selbst vergißt, was das Men-
schenleben denn eigentlich auf sich hat. Da war es denn etwas ganz
Neues, Unerhörtes, Grausiges, als gegen Ende der Schreckenszeit ein
elendes Weib, eine ehemalige Maitreffe Ludwig's Xv-, auf die Blut-
buhne geschleppt wurde, und unter all den ruhigen, gefaßten, gleichgül-
tigen Delinquenten in entsetzlicher Todesangst mit Zetergeschrei und
Flehen um ihr Leben, überall sich anklammernd, wehrend, sträubend,
unter schrecklichen Konvulsionen dahinfuhr. Das brachte auch bei den
rohesten Zuschauern allerlei Gedanken hervor, da fing man an sich zu
besinnen, was man denn eigentlich thue, in welches Meer von Blut
man hineingewatet sei, wohin man auf diesem Wege endlich kommen werde.
Denn schon waren alle Häupter, Führer und Väter der Revolu-
tion von demselben gräßlichen Schlund verschlungen worden. Zuerst
vor und nach der Hinrichtung des Königs tödtete man doch nur die
königlich gesinnten Freunde der Ordnung und des Christenthums.
Nachdem man aber mit den Anhängern des Königthums glaubte auf-
geräumt zu haben, tödteten die wilden oder rothen Republikaner (Berg-
partei) die gemäßigten, anständigen, ehrbaren Republikaner (Gironde).
Dann wurden die wilden Republikaner wieder von noch wilderen als
Volksverräther umgebracht, bis zuletzt nur noch ein Paar der wildesten
übrig blieben, eingefleischte Teufel, welche der ganzen Welt gern den
Hals abgeschlagen hätten, um sich selbst zu Alleinherren zu machen.
An ihrer Spitze Robespierre, dieser seichte Kopf mit einem halben
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Xxv. §. 15. Blick in die Zukunft.
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aber, auf dem der Herr vergebens Früchte gesucht und den er des-
halb zum Verdorren verflucht hatte (Mt. 21, 19), bildet das Volk
Israel ab. Wenn nun das verstockte und verdorrte Israel wieder an-
fängt, lebendig und saftig zu werden und Blätter zu gewinnen, wie
es denn jetzt vor Augen ist, so wissen wir, daß der Sommer nahe vor
der Thür ist, daß des Herrn Ankunft nahe bevorsteht. Wenn aber
das anhebt zu geschehen, sagt der Herr, so sollen wir unsere Häupter
aufheben, darum, daß sich unsere Erlösung nahet (Luc. 21, 28).
Wir sollen nur sorgen, daß wirklich unsere Lampen brennend erfunden
werden, wenn nun endlich der langersehnte König und Bräutigam
kommt (Mt. 23), und ihm auf seine tröstende Verheißung: „ich
komme bald," mit herzlichem Verlangen, wie Johannes am Schluß der
Offenbarung antworten: Ja komm Herr Jesu. Amen.
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Xx. §. 6. Uebcrtragung der Kaiserkrone an Otto den Großen. 373
— standen an der Spitze der schamlosesten Gottlosigkeiten. Mönche
und Aebte, Priester und Bischöfe, ja die Päpste gar finden wir in grie-
chischem Schmuck, singend und trinkend hinter der üppigen Tafel, bei
lüsternen Tänzen, oder auf der Jagd fluchend und johlend, oder in die
politischen Ränke vertieft, und mit Trug und Lüge sich gegenseitig über-
bietend. Die Bibel, das Gotteswort, war vergessen. Die altheidnischen
Dichter mit ihren Unfläthereien waren wieder an der Tagesordnung;
von kirchlichem Leben keine Spur; nur die äußerlichen Werke wurden
noch gefordert und geleistet. Wir müssen zur Ehre Christi hinzufügen,
daß es auch damals nicht und niemals an aufrichtigen Jüngern, an
wahrhaftigen Gliedern und Erben des Himmelreichs gefehlt hat; auch
nicht auf dem Vischofsstuhl (Ratherius von Verona, Atto
von Vercelli). Aber unter den Päpsten dürfen wir sie nicht suchen.
In Rom führte die berüchtigte T h eod ora, aus hochadeligem Geschlecht
und mit den tuscischen Markgrafen verwandt, mit ihren beiden bureri-
schen Töchtern Marozia und Theodora das Regiment. Mit ihren
Vuhlkünsten hielten sie die Häupter aller Parteien gefesselt und setzten
die Päpste nach ihrem Gefallen ab und ein; nicht einmal oder zweimal,
nein 50 Jahre hindurch. Erst kam der schändliche Buhle der Marozia
auf den päpstlichen Stuhl: Sergius Iii. (004—9 i 1), dann der Buhle
der The o d or a: der schon genannte Johann X., der später im Gefäng-
niß ermordet ward, als er sich von dem elenden Weibe losmachen wollte
(928). Dann kam der Sohn des Sergius und der Marozia:
Johann Xl. (921—926), und —» daß wir die dazwischen liegenden
elenden Lasterknechte gar nicht erwähnen — ihr Großsohn Johann Xii.
(956 — 963), ein Ausbund aller Lasterhaftigkeit und aller Frevel,
machte in dieser schinutzigen Reihe den würdigen Schluß. Ein Glück,
daß Rom so ziemlich an das äußerste Ende der damaligen Christen-
heit gerückt war und die wenigsten Fremden diese Greuel gewahr
wurden.
§. 6. Uebcrtragung der Kaiserkrone an Otto den Großen.
Als Italien in so schmählichen Verfall gerieth, erhub sich Deutsch,
land soeben zu einer glänzenden Höhe. Der, tapfere und weise
König Heinrich (919—936), nach ihm sein hochstrebender kriegsge-
waltiger Sohn Otto (936—973) umgaben das deutsche Königthum
mit einem Glanze, dessen herrlicher Schein weithin durch alle Länder
der Christenheit und tief hinein in die Heidenwelt leuchtete. Die fünf
Herzogthümer Sachsen, Franken, Lothringen, Schwaben und Bayern
hatten sie anfangs nur durch einen losen Lehensverband zu einem
Ganzen zusammengefügt, dann aber mit immer wachsender königlicher
Obmacht durch festes Eingreifen und kluge Besetzung der Herzogstellen
zu einem wohlgegliederten deutschen Königreiche verschmolzen. Alle
widerstrebenden Großen, alle aufrührerischen Vasallen im Innern des
Landes hatten sie versöhnt oder zu Boden geschlagen. Aller Orten
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Extrahierte Personennamen: Otto Theodora Sergius_Iii Johann_X. Johann_X. Sergius Johann Johann_Xii Johann Otto Heinrich_( Heinrich Otto
Extrahierte Ortsnamen: Christi Verona Vercelli Rom Rom Italien Sachsen Lothringen Schwaben